Dienstag, 9. September 2008

Rückantwort an das BfArm vom 1. März 2006

005-12-09

Bundesinstitut für Arzneimittel
und Medizinprodukte BfArM
Kurt Georg Kiesinger Allee 3
D – 53175 BONN

Ihr Schreiben vom 21. Februar 2006 – 11.1.02-3413-141425/05

Ölhaltige Infusionslösungen

Sehr geehrte Frau Dercks-Müller

ich danke ihnen für die ausführliche Beantwortung meines Schreibens vom 28.10.2005. Ich gehe davon aus, dass Ihnen mein Antwortschreiben an das Hessiche Sozialministerium vom 21. Dezember 2005 mit weiteren Ausführungen zum selben Thema ebenfalls vorliegt. Anderenfalls reiche ich Ihnen gerne eine Kopie dieses Schriftstückes nach.

D


ie Untersuchungen meines Büros zum Thema „Ölhaltige Infusionslösungen zur intravenösen Patientenernährung“ wurden anlässlich einer Einzelbeobachtung einer Patientenbehandlung im psychiatrischen Klinikum Weilmünster in die Wege geleitet. Auch wenn es sich bei der Behandlung der Patientin am 21.2.2005 mit Intralipid - deren Tod am 22.2.2005 festgestellt wurde – um eine Einzelbeobachtung handelt, läßt sich doch auf Grund der Sachlage nicht ausschließen, dass ähnliche Vorgehensweisen des Behandlungspersonals auch bei anderen Patienten praktiziert wurden. Somit wäre eine prinzipielle Überprüfung des Umganges mit ölhaltigen Infusionsmitteln zumindestens in dem betroffenen Klinikum notwendig.

Eigene wissenschaftliche Forschungsergebnisse im von Ihnen angesprochenen Sinne zum Stoffwechselmetabolismus und zur Medikamentenwirkung von Fettemulsionen zur intravenösen Applikation liegen mir nicht vor, da mein Status keine Menschenversuche mit Substanzen erlaubt, deren gesundheitsschädliche Wirkung in der Vergangenheit nachgewiesen und in der Fachliteratur publiziert wurde.

Von Herstellerseite der Fettemulsionen wird bisweilen darauf verwiesen, dass der ursprünglichen Gesundheitsschädlichkeit der Substanzen dadurch entgegengewirkt wurde, daß:

  • das Mischungsverhältnis zwischen dem Ölanteil und der Trägersubstanz durch die Zufügung von Emulgatoren so beeinflusst wurde, dass die ins Blut gelangten „Öltröpfchen“ dadurch stark in ihrem Durchmesser reduziert und so vom menschlichen Stoffwechsel absorbiert werden könnten, und daß

  • die ursprünglich verwendeten (schädlichen) Emulgatoren durch Substanzen (Eilecithin, alpha-Tocopherol) ersetzt wurden, die im menschlichen Körper natürlicherweise auch vorkämen und im menschlichen Blut besser vertragen würden.

Demgegenüber ergaben aber bereits 1950 von LeVeen et. al. durchgeführte Untersuchungen, dass „alle untersuchten synthetischen Oberflächenspannung verringernden Substanzen“ eben gerade wegen ihrer Oberflächenspannung verringernden Wirkung einen hämolytischen Effekt auf das Blut ausüben, d.h. sowohl Blutplasma als auch Blutkörperchen in ihrer Funktionsfähigkeit beeinträchtigen würden (Blutgerinnungstörungen). Dies würde - da ein physikalisches und kein chemisches Prinzip - nach meiner Auffassung sinngemäß auch für körpereigene Oberflächenspannung vermindernde Substanzen gelten. (Siehe hierzu: Le Veen, H.; Papps, G.; Restuccia, M.; Mulholland, J. (1950): Problems in the intravenous administration of synthetic and natural fats for nutritional purposes. The American Journal of Digestive Diseases, Vol. 17, No.1, S. 20-24).

Die meiner Argumentation zu Grunde liegenden Fakten beruhen auf wissenschaftlichen Veröffentlichungen aus den Jahren zwischen 1950 und 1962 zur Wirkung der Medikamente ABBOLIPID und LIPOMUL. Die von mir geltend gemachten Einwände gegen eine intravenöse Infusion ölhaltiger Substanzen beruhen auf einer Plausibilitätskontrolle zwischen den ursprünglichen wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Wirkung ölhaltiger Infusionslösungen im menschlichen Blutkreislauf (Blutembolien, Organembolien), der Einzel-Beobachtung einer offensichtlich nicht den Anwendungsvorgaben des Produzenten entsprechenden Produktverabreichung am 21.2.2005, den Herstellerangaben sowie einem informellen Abgleich bei anonymen Krankenhausmitarbeitern bezüglich der im Klinikalltag üblichen Verabreichungspraxis.


Meine geltend gemachten Einwände können einerseits als eine Risikoanalyse bezüglich „falscher“ oder „irrtümlicher“ Produktanwendungen gewertet werden, andererseits als eine wissenschaftliche Grundlagenzusammenstellung zur juristischen Bewertung der Todesumstände der am 22.2.2005 verstorbenen Krankenhauspatientin.

U


nter Berücksichtigung des in diesem Zusammenhang geführten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens (81 Ujs 41441/05 TE Limburg) kann ich Sie hier nur über die mir bekannten medizinischen Zusammenhänge informieren, die in Zusammenhang mit der Behandlung der Patientin vorliegen:

  1. Die 87-jährige Patientin wurde am 11.02.2005 wegen „Handschmerzen“ von ihrem Hausarzt zur Beobachtung ins örtliche Psychiatrische Klinikum überwiesen. Laut Angaben von Praxismitarbeitern des Hausarztes sei „eine geschwollene Hand oft Zeichen eines sich ankündigenden Schlaganfalles“.

  1. Nach mehrtägigem Aufenthalt auf „Normalstation 2“ wurde die Patientin am Montag 14.02.2005 wegen eines eingetretenen „Komazustandes“ auf die Intensivstation (Schlaganfallakutstation / 3) des Klinikums verlegt.

  1. Während ihrer Behandlung auf der Intensivstation des Klinikums erfolgte die Ernährung der Patientin über eine Magensonde. Intravenös wurde ihr in dieser Zeit das Medikament ZIENAM verabreicht.

  1. Am 21.2.2005, also nach 7- tägigem Aufenthalt auf der Intensivstation, erfolgte die Verlegung der Patientin auf Normalstation 3 um etwa 17.00 nachmittags.

  1. Um 18.30 beobachteten Angehörige auf dem Medikamentenbord der Patientin eine 250ml Befüllungsspritze für per Magensonde verabreichte Nährlösungen. Diese enthielt eine weißlich-cremige Substanz und war handschriftlich mit „Intra Lipid“ etikettiert. In Unkenntnis der Wirkung dieses Medikamentes sowie der Anwendungsregeln legten die Angehörigen beim anwesenden Krankenhauspersonal keinen Widerspruch gegen die Verabreichung dieser Substanz ein.

  1. Anläßlich des nach Angaben von Krankenhauspersonal etwa 7 Stunden später festgestellten Todes der Patientin wurden weitergehende Untersuchungen über die verabreichte Substanz eingeleitet, die zu dem Ergebnis führten, dass bereits in den 50er Jahren zahlreiche Todesfälle von Krankenhauspatienten nach intravenöser Verabreichung ähnlich zusammengesetzter Mittel festgestellt wurden. Todesursachen waren dabei zumeist Blutembolien, die wahrscheinlich durch die, den Infusionslösungen beigemischten Emulgatoren hervorgerufen wurden.

  1. Abgesehen von dem Aspekt der in der Literatur zitierten gesundheitsschädlichen Wirkungen erhöhter Fettmengen im Blute lag im vorliegenden Falle durch das Umfüllen der vom Hersteller in sterilen Tropfflaschen mit Mengendosimetern gelieferten Originalverpackungen von Intralipid in eine 250 ml Spritze ein schwerwiegender Anwendungsfehler vor.

  1. Erstens ist durch das Umfüllen der intravenös zu verabreichenden Substanz die Sterilität derselben nicht mehr gewährleistet.

  1. Zweitens tritt bei der Gabe der Fettlösung per Injektionsspritze fast notwendigerweise eine Blutembolie ein, da die verabreichende Person nicht in der Lage sein kann, die notwendige langsame Eintropfgeschwindigkeit der Lösung in die Blutbahn sicherzustellen, da sie dazu mehrere Stunden lang neben dem Patienten sitzen und diesem entsprechend langsam das Mittel verabreichen müsste.

  1. Das Auftauchen einer handetikettierten Injektionsspritze auf dem Medikamentenbord lässt zudem vermuten, dass es sich bei der praktizierten Verabreichungsform nicht um einen einmaligen Irrtum sondern um ein des öfteren praktiziertes Vorgehen handelte.

Aus meiner Sicht sind diese Sachverhalte ausreichend, Sie als aufsichtsführende Behörde über die offensichtliche Fehlanwendung des Medikamentes INTRALIPID (Baxter) zu informieren, insbesondere weil weder ausgeschlossen werden kann, dass es sich bei der hier dargelegten Behandlung der Patientin im Februar 2005 nicht um ein einzelnes Versehen handelte noch dass nicht ebenso Ölinfusionslösungen anderer Hersteller ebensolchen Fehlanwendungen unterliegen.

Prinzipiell und unabhängig vom vorangehend geschilderten Fall der Patientenbehandlung lässt sich die von mir bzw. meinem Büro vertretene Argumentationslinie bezüglich der Fettemulsionsanwendungen wie folgt definieren:
  • Die Wirkung der Fettemulsionen auf das menschliche Blut ist am Beispiel des Produktes LIPOMUL in der Fachliteratur zwischen 1950 und 1962 eingehend diskutiert und beschrieben worden.

  • Es ist davon auszugehen, dass Fettemulsionen nach intravenöser Applikation (mit Dosis- bzw. Infusionsgeschwindigkeitsabhängigen Einschränkungen) zu Blut- oder Organembolien führen (können).

  • Eine Anwendung dieser Substanzen zur Herbeiführung des Todes bei Patienten, bei denen keine Hoffnung auf Heilung besteht, kann Gegenstand theoretischer, medizin-ethischer Diskussionen sein.

  • Wegen des prinzipiellen Charakters solcher Diskussionen müssen diese offen und unter eindeutiger Benennung von Sinn, Ziel und Zweck des Einsatzes „den Tod herbeiführender Substanzen“ geführt werden. Eine „Umdeklaration“ entsprechender Mittel als „Nährlösungen“ ist nicht akzeptabel, da im Klinikalltag einerseits die „Nichtbenennung“ der Frage „Sterbehilfe“ und andererseits die Falschbenennung des den Tod herbeiführenden Mittels zu einem schleichenden Gewöhnungsprozeß an „Abschaltmechanismen“ führt, die einen routinemäßgen Umgang des beteiligten Personales mit dem Einsatz von Tötungsmitteln zur Folge haben. Dies kann zu Situationen führen (s.o.) in denen „Sterbehilfe“ an Patienten praktiziert wird, deren Gesundheitszustand keineswegs als rettungslos einzuschätzen ist.

  • Desweiteren eröffnet die Existenz von Krankenhausabteilungen, deren nicht zuletzt aus historischen Gründen gewachsener Ruf es ist, Patienten aus dem Leben zu führen, der nichtmedizinisch ausgebildeten Umgebung solcher Stationen die Möglichkeit, missliebige Personen dorthin abzuschieben um sie so einem prozesshaften Beendigungsmechanismus zuzuführen. Hierzu verweise ich Sie insbesondere auf die Publikation von Vanja, C.; et. al (1997) 100 Jahre Krankenhaus Weilmünster, erschienen beim Landeswohlfahrtsverband Hessen/Kassel, und hierin auf den Artikel von Sandner, P., Textpassagen auf Seite 148.

Sollte ich bei meinen Literaturrecherchen weitergehende kritische Argumente zu diesem Thema auffinden, so informiere ich Sie selbstverständlich.

Mit freundlichen Grüßen

Dipl. Biol. Peter Zanger
Geschäftsführer CID-Forschung / CID-Verlag
Weilmünster, Mittwoch, 1. März 2006

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